Nachdem die japanische Regierung im März bekannt gab, dass zu den Olympischen Spielen im Sommer keine ausländischen Zuschauer einreisen dürfen, gab es heute eine weitere Bekanntgabe des Außenministeriums. Da man befürchtet nach Ende der Covid-19-Pandemie durch ausländische Touristen überrannt zu werden, wurde beschlossen, in einem weltweit einmaligen Modellversuch auch zukünftig die Einreise nur japanischen Staatsbürgern und Ausländern mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung zu gestatten.
Alle Geschäftsreisen und touristischen Reisen können ab dem 1. April 2021 nur noch virtuell stattfinden. Extra dafür wurde eine neue Klasse von Visa geschaffen, die 90 Tage lang gültig sind. Der Sprecher des japanischen Außenministeriums Shigatsu Baka begründete die Entscheidung in einem Interview wie folgt: „In den vergangenen 12 Monaten haben wir erkannt, dass virtuelles Reisen wesentlich besser skalierbar ist und zugleich unsere neuen Nachhaltigkeitsziele unterstützt. Zudem sehen wir in Hotspots wie Kyoto und einigen Orten in Tokyo viele Vorteile für Anwohner und japanische Touristen. Japan hat außerdem in der Geschichte gezeigt, dass eine Abschottung auch innenpolitische Vorteile bietet. Mit der heute verfügbaren Technologie kann beides parallel existieren: Abschottung und Integration in die Weltgemeinschaft durch moderne Kommunikationstechniken. Wir sind sehr zuversichtlich, im Jahr 2021 unser geplantes Ziel von 50 Millionen virtuellen Besuchern zu erreichen und damit sogar die 40 Millionen realen Besucher von 2019 zu übertreffen.“
Für virtuelles Reisen soll eine neue Technik zum Einsatz kommen, die bereits seit 2019 exklusiv nur für vielbeschäftigte Influencer verwendet wurde (Der Blog „Japan in Berlin“ berichtete am 1. April 2019). Als besonderer Service für diese Zielgruppe wurden die zum Teil sehr langen Wartezeiten für perfekte Selfies bereits signifikant reduziert. Das System startete zunächst als einfaches Buchungssystem mit fest zugewiesenen Zeitslots an wichtigen Touristenattraktionen. Im Testbetrieb ist jedoch aufgefallen, dass aufgrund von äußeren Einflüssen wie zum Beispiel Regen, Wolken oder sogar Taifunen die beabsichtigte Zuverlässigkeit von 99,9% nicht erreicht werden konnte. Daher wurde ein erfahrenes Expertenteam eingesetzt, um Selfies mittels Bluescreentechnik und Photoshop perfekt zu inszenieren.
Bei meinem Besuch in Tokyo im Januar 2019 durfte ich einen Prototyp des neuen Service mit einem Kirschblütenfoto noch vor seinem Launch testen und bin begeistert (siehe Foto oben). Die Streifen wurden in der endgültigen Version übrigens noch durch eine KI eliminiert.
Diesen Service des virtuellen Reisens mit perfekten Selfies gibt es inzwischen für 70 Highlights in und um Tokio. Der Master für dieses System sowie die zugrundeliegenden Fotos lieferte übrigens mein am 21.3.21 erschienenes Buch „Tokio Foto Guide“.
Einer der häufigsten insbesondere in Asien nachgefragten Fotospots ist neben der Chureito-Pagode das Torii des Hakone-Schreins (Foto unten).
In einem Interview berichtete Herr Uso von der lokalen Tourismusbehörde der Präfektur Kanagawa nach einem Jahr Erfahrung mit dieses Programm: „Seit wir diesen Service anbieten, ist die Straße bei Moto-Hakone für Autos wieder passierbar, weil lange Schlangen von Touristen vermieden werden, die einfach nur ein Foto von sich mit dem Torii im Wasser machen wollten. Früher gab es lange Wartezeiten von bis zu acht Stunden und einige Touristen verpassten sogar den letzten Bus zurück nach Tokio.“
Auch brauche man zukünftig nicht mehr selbst für ein Selfie auf den Fuji-san steigen, denn auch hier gibt es inzwischen eine Lösung mit echtem Bodennebel. Die Vorführung des Systems war ursprünglich für die ITB Berlin 2020 geplant, die aus bekannten Gründen leider abgesagt werden musste. Das virtuelle System konnte bei der virtuellen Messe ITB Berlin Now wegen technischer Probleme leider nicht vorgeführt werden. Als kleine Entschädigung wurden bei der ITB Berlin Now 2021 virtuelle Selfies vor dem Kaiserpalast gemacht (Foto unten).
Wie man an den Beispielen sieht, kombiniert die Technik das perfekte, immer gleiche Lächeln mit dem idealen Foto bei besten Wetterbedingungen. Einmal eingesetzt kommen die Vorteile klar zur Geltung und man will danach überhaupt nicht mehr richtig Reisen oder echte Selfies an wirklichen Orten machen. Zusammen mit einem Take-Out-Essen oder einer Bento-Box vom Lieblingsjapaner setzt man sich unter einen Kirschbaum (für lokale Einschränkungen dieses Features aufgrund der aktuellen Infektionslage fragen Sie Ihren Ministerpräsidenten oder Gesundheitsminister) und fühlt sich damit nicht nur in München ganz wie in Japan.